Natera: New Beginning

Natera: New Beginning

Genre: Arbeitereinsatzspiel • Kartenspiel • Ressourcen
Autor: Eric Fugere, Hugo Tremblay-Ledoux
Illustrator: Marton Ádám Márton
Spieleverlag: Horizon Games
Empfohlenes Alter: 14+ Jahre
Spieldauer: 35 Minuten pro Spieler

Natera: New Beginning   24.11.2025 von 2-PL4Y3R5

Natera: New Beginning bietet eine wunderschön gestaltete Welt, die durch das gesamte Spielmaterial, insbesondere den vielen Karten mit einzigartigem Artwork zum Leben erweckt wird. Uns hat der Art-Style sehr zugesagt, und das hat uns letztlich auch gelockt. Wir haben dann in Essen auf der SPIEL eine Demorunde angespielt. Nur eine Runde, keine ganze Partie. Ein echtes Gefühl fürs Spiel konnten wir hier nicht entwickeln. Wir haben es dennoch mitgenommen und direkt am selben Abend, noch im Airbnb in Essen eine komplette Partie gespielt. Und währenddessen erst dämmerte es uns so langsam: Natera: New Beginning war die Entdeckung der SPIEL 2025. Am nächsten Tag hat meine Begleitung direkt eine Kopie für sich erworben. Kurz darauf war alles ausverkauft.

 

 

Das Material und die Vorbereitung

 

Natera: New Beginning wurde durch eine Crowdfunding Kampagne auf Kickstarter ins Leben gerufen. Anders als bei anderen Kickstarter Kampagnen, war Natera: New Beginning von vorneherein „fully stretched“, d.h. direkt und ausschließlich in einer Deluxe Variante erhältlich. Und diese kann sich, was Materialqualität und -Umfang betrifft, auch wirklich sehen lassen. Wir haben viele verschiedene Tierfiguren aus Holz, screen-printed. Wir haben neben doppellagigen Spieler-Tableaus sogar einen doppellagigen Spielplan in der Tischmitte. Wir haben alle Ressourcen aus Holz in verschiedenen Farben und Formen, ebenfalls bedruckt. Und sie finden Platz in zwei herausnehmbaren Plastik-Trays, sodass sie auf dem Tisch verteilt werden können und jeder Spieler alle Ressourcen in Reichweite hat. Dafür zahlt man dann aber auch knapp 100 EUR. Genug der Vorrede.

 

Schauen wir uns den Spielaufbau an. Als erstes kommt der Spielplan in die Tischmitte. Er gliedert sich in vier Distrikte, die auch ein wenig farblich voneinander abgesetzt sind, und einen zentralen Bereich. Jeder Distrikt hat zwei abgedruckte Aktionsfelder und drei Plätze, auf denen zwei Tier 2 Aktionsplättchen und ein Tier 3 Aktionsplättchen per Zufallsprinzip verdeckt ausgelegt werden. Diese werden erst im Spielverlauf freigeschaltet. Jeder Distrikt ist spezialisiert auf einige wenige Arten von Aktionen bzw. Belohnungen. Und jeder Distrikt ist auch einer Autoritätsleiste zugeordnet, entlang derer die Spieler hochwandern, wenn sie im jeweiligen Distrikt aktiv sind, d.h. ihre Arbeiter dort einsetzen. Der zentrale Bereich bietet zwar starke Belohnungen, erlaubt es aber nicht eine Autoritätsleiste hochzuwandern.

 

Auf dem Spielplan müssen noch ein paar mehr Vorbereitungen getroffen werden: Die vier Distrikt-Scheiben werden auf die jeweiligen Felder platziert. Sie werden von Spielern beansprucht, wenn sie auf der jeweiligen Autoritätsleiste des Distrikts in Führung gehen. Der Besitzer einer Scheibe erhält zusätzliches Einkommen in den Ruhephasen. Außerdem werden für jede der fünf Kategorien ein zufälliges Anrechtsplättchen ausgewählt und platziert. Diese geben Ziele vor, für die der erste Spieler bei Erreichen ordentlich Siegpunkte erhält. Zuletzt kommt der Rundenmarker – die weiße Uhr - auf Feld 1 der Rundenleiste.

 

Kommen wir zu den Karten. Insgesamt gibt es drei Kartendecks. Basis-Erkundungskarten (grüner Kartenrücken), fortgeschrittene Erkundungskarten (orangener Kartenrücken) und Spezialisten-Karten (blauer Kartenrücken). Jedes Deck wird gemischt und als verdeckter Nachziehstapel bereitgelegt. Nur von den Spezialisten-Karten werden fünf in eine offene Auslage gelegt. Von dort können sie im Spielverlauf direkt gekauft werden. Dann erhält jeder Spieler sechs Basis-Erkundungskarten und zwei fortgeschrittene Erkundungskarten auf die Hand und sucht sich fünf Karten aus, die er behalten möchte. Die übrigen bilden einen allgemeinen Ablagestapel. Karten können im Spielverlauf nachgezogen und für Ressourcen gespielt werden. Sie haben sehr viele verschiedene Funktionen, die sich in vier Kategorien einteilen lassen: direkte Belohnung, Produktion / Einkommen, aktivierbare Fähigkeit und passive Fähigkeit.

 

Neben dem Spielplan benötigt ihr Platz für die beiden Ressourcen-Trays. Sie enthalten die sechs verschiedenen Ressourcen in Natera: Ausdauer (rotes Herz), Beweglichkeit (hellgrüne Pfeile), Intelligenz (lila Gehirn), Nahrung (blaue Töpfe), Nachschub (orangene Pakete) und Energiezellen (gelbe Batterie). Außerdem findet man in diesen Trays auch die Wachstums-Marker (dunkelgrüner Baum).

 

Zuletzt geht es zur Vorbereitung des persönlichen Spielerbereichs. Jeder Spieler nimmt sich ein Spieler-Tableau und das gesamte Holzmaterial in Spielerfarbe. Auf der rechten Seite des Tableaus gibt es Platz für die drei Flaggen und die acht Häuser. Diese können im Spielverlauf auf den Spielplan platziert werden, um Siegpunkte und Boni zu sichern. Die vier Autoritätsmarker in Spielerfarbe kommen auf die vier Autoritätsleisten des Spielplans. Bis hierhin sieht bei den Mitspielern erstmal alles gleich aus.

 

Nun müssen sich die Spieler für einen Stammes-Anführer in Form der Anführer-Karte und des dazugehörigen Stammes-Plättchens entscheiden. Jeder Anführer hat eine einzigartige Fähigkeit und ein eigenes Einkommen. Das Plättchen zeigt auf der einen Seite die individuellen Startressourcen. Nachdem man sich diese genommen hat, wird das Plättchen umgedreht und zeigt ein Einkommen, das man in den Ruhephasen erhält. Zu jedem Anführer gehören auch drei Arbeiter-Figuren, meist unterschiedlicher Größe. Diese werden rechts oben auf dem Tableau platziert und im Spielverlauf für das Einsetzen auf Aktionsfeldern des Spielplans verwendet.

 

Zuletzt erhält jeder Spieler ein zufälliges Wissenschafts-Tableau. Hier werden im Spielverlauf Boni freigeschaltet, indem Wachstums-Marker entlang der Verbindungen und beginnend von unten platziert werden. Wachstums-Marker sind eine spezielle Ressource, die man auf verschiedene Weise erhalten kann, aber nur zum Platzieren auf das Wissenschafts-Tableau verwendet.

 

Das Spielziel

 

In Natera: New Beginning gibt es keine Siegpunkteleiste. Aber nicht täuschen lassen, denn sehr wohl gewinnt am Ende der Partie der Spieler mit den meisten Siegpunkten. Abgerechnet wird am Spielende.

 

Wofür gibt es alles Siegpunkte? Einen großen Teil der Siegpunkte wird man über ausgespielte Erkundungs- und Spezialisten-Karten erhalten. Siegpunkte findet man auch in den oberen Bereichen des Wissenschafts-Tableaus. Wachstum lohnt sich also. Außerdem erhält man 3 Siegpunkte für jedes platzierte Haus und 7 Siegpunkte für jede platzierte Flagge. Und zuletzt wird geprüft, wer auf den vier Autoritätsleisten in Führung ist. Siegpunkte bekommen die ersten drei Platzierungen einer jeden Leiste: 7 Siegpunkte für den ersten, drei für den zweiten und einen Siegpunkt für den dritten Platz. Die Endwertung ist also übersichtlich, der Weg dorthin erfordert aber einiges an strategischen Überlegungen und Taktik. Denn man kann nicht alles erreichen.

 

Der Spielablauf

 

Natera wird über insgesamt vier Runden gespielt. In jeder Runde führen Spieler in der Aktionsphase der Reihe nach immer genau eine Aktion aus, bis alle gepasst haben. In der anschließenden Ruhephase erfolgt etwas Clean-Up und die Vorbereitung der nächsten Runde. Nach vier Runden endet die Partie mit der Endwertung. Um den Spielverlauf besser zu verstehen, schauen wir uns nun die verschiedenen Aktionen in Natera: New Beginning an. Im Grunde gibt es nur vier Hauptaktionen.

 

Mit der Aktion „einen Stammes-Anführer oder Erkunder entsenden“ platziert man einen seiner Arbeiter auf ein Arbeitereinsatzfeld des Spielplans. Erfolgt die Platzierung auf ein Feld innerhalb eines der vier Distrikte, bewegt man seinen Autoritätsmarker ein Feld auf der dazugehörigen Autoritätsleiste weiter nach oben. Erreicht man als erstes 3 Autorität, deckt man die Tier 2 Aktionsfelder auf; beim Erreichen von 6 Autorität wird auch das Tier 3 Aktionsfeld aufgedeckt. Diese Aktionsfelder sind aber nur für diejenigen Spieler verfügbar, die auch im entsprechenden Distrikt mindestens 3 bzw. 6 Autorität haben. Hat ein Spieler mindestens 3 Autorität in einem Distrikt und geht auf der Leiste in Führung, erhält er auch die Distrikt-Scheibe, mit der seine Produktion in der Ruhephase verbessert ist.

 

Wie eingangs erwähnt gibt es große und kleine Arbeiter. Die großen Arbeiter sind die Stammes-Anführer. Werden diese auf ein Feld platziert, blockieren sie das Feld für andere Arbeiter. Die kleinen Arbeiter dagegen sind die Erkunder und blockieren das Feld nicht. Es können beliebig viele Erkunder dasselbe Aktionsfeld besuchen. Aber jeder Spieler darf nie mehr als einen Arbeiter auf einem Aktionsfeld stehen haben.

 

Nach dem Platzieren des Arbeiters erhält man die Belohnung des Aktionsfelds. Das sind meist Ressourcen, Möglichkeiten Ressourcen zu tauschen oder andere Boni. Platziert man einen Arbeiter auf ein Feld mit einem Haus, so bekommt der Besitzer des Hauses die dargestellte Belohnung, meist eine abgeschwächte Variante der eigentlichen Belohnung.

 

Die zweite Aktion „eine Erkundungskarte spielen“ erlaubt das Ausspielen einer Basis-Erkundungskarte oder einer fortgeschrittenen Erkundungskarte von der Hand. Das kostet Ressourcen. Aber nicht erschrecken: oben links sind die Kosten angezeigt, aber man muss nur einen der drei Ressourcen-Typen in der angegebenen Anzahl bezahlen, je nachdem an welche der Ressource man besser rankommt oder gerade zur Verfügung hat: Ausdauer, Beweglichkeit oder Intelligenz. Manche Karten haben auch eine Voraussetzung, dargestellt unterhalb der Kosten fürs Ausspielen und rot hinterlegt. Beispiele für Voraussetzungen sind eine bestimmte Position auf einer der Autoritätsleisten, einen Arbeiter in einem bestimmten Distrikt oder bereits gespielte Karten mit bestimmten tags. Karten sind Siegpunkte-Quelle und geben verschiedene Boni, Einkommen, Fähigkeiten oder Aktionen. Je nach Funktion der Karte wird sie unterschiedlich platziert, sodass man immer eine gute Übersicht behält. Denn am Ende einer Partie wird man einige vor sich ausliegen haben. Im Übrigen: Basis-Erkundungskarten sorgen eher für Ressourcen-Generierung, während fortgeschrittene Erkundungskarten mehr Siegpunkte geben und im späteren Spielverlauf wichtiger werden.

 

Die dritte Aktion „einen Spezialisten anheuern“ ist simpel. Man nimmt sich die gewünschte Spezialisten-Karte aus der Auslage, zahlt die oben links angegebenen Kosten, immer Nahrung, und spielt sie direkt in seine Auslage. Spezialisten-Karten geben oft gut Siegpunkte und erlauben es als Aktion Batterien gegen andere Ressourcen zu tauschen, je nach Karte. Die allgemeine Auslage an Spezialisten-Karten wird nach dem Kauf direkt wieder aufgefüllt.

 

Unter die letzte Aktion „eine Fähigkeit nutzen“ zählen mehrere Unteraktionen. Eine davon ist es die Fähigkeit einer gespielten Spezialisten-Karten zu verwenden. Es gibt aber auch andere Karten, die Fähigkeiten zeigen, meist der Tausch einer Ressource in eine andere, in unterschiedlichen Verhältnissen und Kombinationen. Zuletzt ist auch der Bau eines Hauses eine Fähigkeit und wird somit als Unteraktion aufgeführt. Der Bau eines Hauses kostet immer 10 Nachschub. Auf jedem Aktionsfeld innerhalb der vier Distrikte des Spielplans können Häuser gebaut werden, nicht aber auf den Feldern des zentralen Bereichs und pro Feld immer nur ein Haus. Außerdem dürfen auf Tier 2 und Tier 3 Aktionsfeldern nur dann Häuser gebaut werden, wenn man auch ausreichend Autorität dafür hat. Von nun an bekommt der Spieler, der eines seiner Häuser auf ein Aktionsfeld platziert hat, immer auch dann eine Belohnung, wenn ein Arbeiter auf das Aktionsfeld platziert wird; ist es ein eigener Arbeiter, so erhält man die Belohnung für den Arbeiter und die für das Haus. Zusätzlich gibt es am Spielende für jedes Haus 3 Siegpunkte.

 

Es gibt noch ein paar freie Aktionen, die jederzeit und kostenlos ausgeführt werden können. Zum einen können zwei Karten abgeworfen werden, um eine beliebige Ressource zu erhalten. Zum anderen kann man jederzeit seine Flagge auf ein Anrecht-Plättchen oder das Ende einer Autoritätsleiste platzieren, wenn man die Voraussetzung dafür erfüllt. Ein Anrecht-Plättchen verlangt z.B., dass man vier Spezialisten-Karten ausgespielt hat. Auf die Autoritätsleisten darf man seine Flagge platzieren, sobald man mit seinem Autoritätsmarker das Ende einer Leiste erreicht hat. Jede platzierte Flagge ist am Spielende 7 Siegpunkte wert.

 

Kann ein Spieler keine der vier Hauptaktionen ausführen, muss er passen. Haben alle Spieler gepasst, folgt die Ruhephase. Spieler nehmen alle ihre Arbeiter zurück und führen alle Produktionseffekte aus. Solche findet man auf unterschiedlichem Spielmaterial wie die Stammes-Anführer-Karte, das zugehörige Plättchen, gespielte Erkundungskarten, das Wissenschafts-Tableau, Distrikt-Scheiben und mehr. Man bekommt also insgesamt einiges an Einkommen. Danach erhalten alle Spieler vier neue Erkundungskarten, je nach Runde in unterschiedlicher Zusammensetzung aus Basis und fortgeschrittenen Karten. Zuletzt wird der Startspielermarker weitergegeben, der Rundenanzeiger vorwärtsbewegt und eine neue Runde beginnt. In der vierten Runde findet keine Ruhephase statt; hier endet das Spiel mit der Endwertung.

 

 

Bildergalerie von Natera: New Beginning (11 Bilder)

Spielmaterial

 

Allgemeines Spielmaterial

  • 1 Spielplan (District Board)
  • 140 Erkundungskarten (Exploration Cards: Basic und Advanced)
  • 40 Spezialisten-Karten (Specialist Cards)
  • 1 Rundenanzeiger (Season Marker)
  • 1 Startspielermarker
  • 187 Ressourcen und Wachstums-Tokens (Resource and Growth Tokens)
  • 32 Plättchen mit Aktionsfeldern (Hidden Location Tiles)
  • 10 Anrechtsplättchen (Claim-Tiles)
  • 4 Distrikt-Scheiben (District Leader Discs)

 

Material für die Spieler

  • 10 Stammes-Karten (Tribe Cards)
  • 10 Stammes-Plättchen (Tribe Mini-Tiles)
  • 11 Stammes-Anführer und 20 Erkunder Figuren (Tribe Leader / Explorer Tokens)
  • 5 Wissenschafts-Tableaus (Science Boards)
  • 4 Spielertableaus (Player Boards)
  • 4 Spielerhilfen
  • 32 Häuser (Settlement Tokens)
  • 12 Flaggen-Marker (Claim Tokens)
  • 16 Autoritäts-Marker (Authority Tokens)


Cover & Bilder © Cover: Horizon Games / Bilder im Artikel und Teaserbild: www.sofahelden.de


Das Fazit von: 2-PL4Y3R5

2-PL4Y3R5

Spielspaß: Wir waren anfänglich eher skeptisch. Natera: New Beginning sieht wahnsinnig gut aus. Aber die Spielmechaniken – nüchtern auf einem Blatt Papier betrachtet - bieten eigentlich nichts Neues. Eine Beschreibung des Spielverlaufs hört sich nach Allerwelts-Worker-Placement an und klingt nach Ressourcen-Siegpunkte-Schubserei. Wegen der Optik und der Begeisterung des Autors fürs eigene Spiel, haben wir uns überzeugen lassen, Natera eine Chance zu geben. Und wir wurden nicht enttäuscht. Einmal mehr wurde uns klar: Urteile sind unmöglich, ohne mindestens eine vollständige Partie gespielt zu haben.

Der Autor stellte Natera als Mischung aus Terraforming Mars und Dune Imperium vor. Tatsächlich erinnert das Spiel rein mechanisch an beide: Es gibt eine große Zahl von Karten, die man für Ressourcen ausspielt, um Siegpunkte zu generieren und Effekte auszulösen – ganz wie in Terraforming Mars. Gleichzeitig klettern die Spieler vier Leisten hoch, die ihre Autorität in den vier Distrikten des Spielplans darstellen, was an Dune Imperium erinnert. Doch trotz dieser Parallelen fühlt sich Natera: New Beginning völlig eigenständig an. Das Spiel spielt sich angenehm leichtfüßig – dank wenigen Regeln, wunderschönem Artwork und hochwertigem Spielmaterial. Besonders viel Freude bereitet das Entdecken der zahlreichen Karten und ihrer Fähigkeiten. Das taktische Platzieren der Arbeiter auf dem Spielplan und der direkte Wettstreit auf den Leisten sorgen für spannende Momente und verleihen dem Spiel zusammen mit der Kartenvielfalt und den Entscheidungen beim Ausspielen der Karten – trotz der genannten Leichtfüßigkeit – eine beachtliche Spieltiefe.

Was hat uns am meisten Spaß gemacht? Tatsächlich war es die Kombination aus der farbenprächtigen, lebendigen Spielwelt und dem gleichzeitig leichten, flüssigen Spielgefühl. Die Kernmechaniken sind zwar vertraut, doch in dieser Form – in einer Art Gateway-Spiel mit solch überraschender Tiefe – haben wir das noch nicht erlebt. Und schaut man auf die Details, konnten wir auch einiges Neues entdecken. Natera: New Beginning war für uns ganz klar die Entdeckung der SPIEL 2025.

 

Balancing/Glücksfaktor: In Natera: New Beginning übernehmen Spieler die Rolle eines Tier-Stammes. Jeder Stamm hat eine einzigartige Sonderfähigkeit, unterschiedliche Startressourcen und Produktions-Effekte. In den ersten Partien kamen uns ein paar Stämme stärker vor als andere, das mag aber vor allem an der unterschiedlichen Komplexität der Tier-Stämme liegen, die auch in der Regel ausgewiesen ist.

Natera ist ein Strategiespiel. Durch die riesigen Kartendecks und die Einzigartigkeit jeder einzelnen Karte kommt Natera aber nicht ganz ohne Glücksmomente aus. Dadurch, dass Karteneffekte zentral für den Aufbau einer Strategie und daher spielentscheidend sind und weil Erkundungskarten blind vom Deck gezogen werden, fällt dies auch recht schwer ins Gewicht. Neue Karten gibt es immer zwischen den Runden oder wenn z.B. Aktionsfelder oder Karten das Nachziehen erlauben. Immerhin zu Spielbeginn darf man sich 5 Karten aus 8 gezogenen aussuchen. Außerdem darf man beim Kartenziehen immer zwischen zwei separaten Stapeln wählen: Basis und Fortgeschritten. Karten des Basisdecks sind auf Ressourcengenerierung spezialisiert, während Karten vom fortgeschrittenen Deck mehr auf Siegpunkte gehen, aber schwerer auszuspielen sind, d.h. mehr Ressourcen kosten. Neben diesen beiden Kartendecks gibt es noch die Spezialisten-Karten. Hiervon liegen immer 5 offen aus, und statt Karten auf die Hand zu ziehen, müssen diese direkt von der Auslage aus gekauft und gespielt werden. Man weiß also hier, worauf man hinarbeiten will. Und man sieht, wenn Mitspieler plötzlich mehr als 20 Nahrung sammeln und eine dieser Karten 23 Nahrung kostet.

Ok, Kartenglück ist das eine. Aber auf der anderen Seite gibt es sehr viele verschiedene Möglichkeiten ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Nur, weil man nicht die passende Karte hat, befindet man sich lange nicht in einer Sackgasse. Sagen wir, man braucht eine bestimmte Ressource X. Man kann Batterien ausgeben, um X über eine bereits gespielte Spezialisten-Karte zu erhalten. Man kann Arbeiter auf ein Arbeitereinsatzfeld schicken, in einem der vier Distrikte, oder wenn man‘s richtig nötig hat: ins Zentrum des Spielplans. Man kann einen Baum auf ein bestimmtes Feld seines Wissenschafts-Boards platzieren. Man kann Erkundungskarten spielen, um das Einkommen an X zu erhöhen, oder direkt X zu generieren. Es erscheint nahezu unmöglich, dass die Ressource X über keine dieser Möglichkeiten verfügbar ist. Und für das Ausspielen von Karten gibt es drei alternative Ressourcen, die als Kosten bezahlt werden können: entweder X Ausdauer, Y Beweglichkeit oder Z Intelligenz. Welche Option am Ressourcen-schonendsten ist, hängt von der Karte ab.

 

Komplexität/Regeln: Hier punktet Natera: New Beginning wie kein anderes Spiel. Die Erläuterungen zum Spielverlauf in der offiziellen Regel zu Natera: New Beginning umfasst nur 6 Seiten. Insgesamt hat die Regel 16 Seiten, inklusive Anhänge. Zurecht fragt man sich: bei einer solchen Regelarmut kann doch keine Spieltiefe entstehen. Falsch gedacht. Natera ist im mittleren Kennerbereich anzusiedeln, ein Komplexitätsrating, das sich alleine aufgrund der Spieltiefe, nicht dem Regelumfang ergibt. Wie erzeugt Natera eine solche Spieltiefe bei gleichzeitig niedriger Einstiegshyrde? Indem die einzelnen Mechaniken für sich zwar simpel, aber Entscheidungen und ihr Timing keineswegs trivial sind, einfach weil alles miteinander verzahnt ist und die Spieler sich ein Wettrennen um das Erreichen von Zielen für das Platzieren von Flaggen leisten. Ein paar Beispiele. Platziere ich einen Arbeiter in einen der vier Distrikte, weil ich einen bestimmten Effekt triggern möchte, oder in den anderen Distrikt, weil ich dort unbedingt die Leiste hochwandern will, auch wenn ich den Effekt dort nicht so dringend brauche. Oder: schaue ich erstmal, dass ich Nahrung besorge, um die eine Spezialisten-Karte zu holen, bevor sie mir jemand wegschnappt. Oder konzentriere ich mich erst auf die Intelligenz-Ressource, um eine Erkundungskarte zu spielen, mit der ich später automatisch Nahrung erhalte. Dann gibt es doch noch eine weitere Option, die mich näher ans Platzieren einer Flagge bringt. Das sind wichtige Siegpunkte am Spielende. Wenn ich da meinen Vorsprung nicht weiter ausbaue, könnte alles umsonst gewesen sein. Ja, eigentlich gibt’s im Wesentlichen nur zwei Aktionen: Karte spielen oder Arbeiter einsetzen. Aber kluges Timing und die Konkurrenz mit den Mitspielern definieren das Spiel.

Da Natera aktuell nur in englischer und französischer Sprache erhältlich ist, auch ein kurzer Hinweis zur Sprachabhängigkeit: nur sehr wenige Karten, vielleicht jede zehnte, enthält überhaupt Text. Ansonsten ist wirklich alles durch Ikonographie dargestellt. Nebenbei bemerkt, sehr gute und klare Ikonographie. Wir haben Natera mit einer 10-jährigen gespielt, die kein Englisch kann, und die wenigen sprach-abhängigen Karten einfach übersetzt. Selbst das ging wunderbar.

 

Spielerinteraktion/Spieleranzahl: Für ein Strategiespiel ist Natera: New Beginning besonders interaktiv. Allgegenwärtig ist das Wettrennen auf den vier Autoritätsleisten. Wer auf einer Leiste führt, bekommt am Spielende die meisten Siegpunkte und zwischen den Runden zusätzliches Bonus-Einkommen. Außerdem ist hier Fortschritt nötig, um bessere Arbeitereinsatzfelder des entsprechenden Distrikts besuchen zu dürfen. Wie kommt man auf den Leisten hoch? Neben anderen Spieleffekten, hauptsächlich indem man einen seiner Arbeiter auf ein Feld des entsprechenden Distrikts einsetzt. Das bringt uns zu einem weiteren Aspekt der Interaktion: Natera implementiert eine uns bisher nicht bekannte Abwandlung des Arbeiter-Einsatz-Spiels: Spieler haben große und kleine Arbeiter, je nach Tier-Stamm teilweise in unterschiedlicher Anzahl. Kleine Arbeiter blockieren die Felder, auf denen sie eingesetzt werden für andere Spieler nicht. Große Arbeiter blockieren sie, wie in vielen anderen Arbeitereinsatzspielen auch. Das bietet eine weitere taktische Ebene in direkter Konkurrenz mit den Mitspielern: „Dieses Feld besuche ich als erstes, und zwar mit dem Großen. Eine Option weniger für meine Mitspieler an die Nachschub-Ressource zu kommen.“

Dann gibt es noch einen bestimmten Kartentyp im Erkundungskartendeck, der mit einem Interaktionssymbol gekennzeichnet ist. Diese erlauben es direkten Einfluss auf andere Spieler zu nehmen. Der Einfluss geht allerdings nicht so weit, dass man Siegpunkte klauen oder dem Mitspieler Dinge groß „kaputt“ machen kann. Es sind eher kleine Dinge, z.B. das Versetzen der großen Arbeiter, um ein Feld wieder freizumachen.

Indirekte Interaktion gibt es durch Konkurrenz um das Platzieren von Flaggen, den Bau von Häusern und den Erwerb von Spezialisten-Karten. Es gibt insgesamt 9 Ziele. Jedes kann nur von einem Spieler erreicht werden; und jeder Spieler kann maximal 3 Flaggen verteilen. Dass in 4-Personen-Partien ein Spieler alle drei Flaggen setzt, also 3 von 9 Achievements erreicht, ist schon sehr schwierig. Auf jedes der 20 Arbeitereinsatzfelder können Spieler Häuser bauen. Aber nur ein Haus pro Feld. Wenn Spieler Arbeiter auf ein Einsatzfeld platzieren, um dessen Belohnung zu erhalten, erhält der Spieler, der dort sein Haus platziert hat, ebenso eine Belohnung. Richtig cool! Und zuletzt wären da die Spezialisten-Karten in der Auslage. Wenn man es hier auf eine bestimmte Karte abgesehen hat, sollte man schnell sein.

Wie steht es um die Spieleranzahl? Ändert sich etwas mit mehr oder weniger Spielern? Wir haben Natera bisher nur zu dritt gespielt und das hat wunderbar funktioniert. Bis auf eine Ausnahme, fällt uns auch kein Grund ein, weshalb Natera zu zweit oder zu viert schlechter sein sollte. Die Ausnahme? Der Spielplan hat immer vier Gebiete, also vier Leisten, auf denen Spieler konkurrieren und auch dieselbe Anzahl an Arbeiter-Einsatzfeldern. Zu zweit könnte sich Natera daher etwas leer anfühlen und der fehlende Konkurrenzdruck auf den Leisten etwas Spannung rausnehmen.

 

Spieldauer: Gegen eine hohe Spielerzahl spricht dagegen nichts. Denn die Downtime ist wirklich gering. Karte spielen oder Arbeiter einsetzen, Ressourcen nehmen oder zahlen, vielleicht mal eine Fähigkeit aktivieren; und der nächste ist dran. Die Gesamtspieldauer wird mit 35 Minuten pro Spieler angegeben. Das erscheint uns als eine relativ konservative Angabe. In unserer Erstpartie zu dritt haben wir zwar tatsächlich die 90+ Minuten benötigt, in Folgepartien lagen wir aber deutlich unter den 35 Minuten pro Spieler. Auch der Spielaufbau und das Clean-Up - trotz hoher Variabilität - gehen sehr schnell, vor allem dank gut strukturiertem Inlay. Insgesamt wird Natera: New Beginning über 4 Runden gespielt. Dabei ist die erste Runde wesentlich schneller abgeschlossen als die letzte, denn im Spielverlauf wird man immer besser Ressourcen generieren können und somit mehr schaffen. Natera ist kein kurzes Zwischendurch-Spiel, soviel ist klar. Vom Gefühl her ist Natera wesentlich schneller gespielt als andere Euro Games, aber auf die Uhr geschaut, gibt es kaum Unterschiede. Es ist jedoch festzuhalten: die gefühlte Zeit, zumindest für uns, war kürzer als die echte Spieldauer, was die eingangs erwähnte Leichtigkeit im Spielgefühl unterstreicht. Entspannend, es gibt viel zu sehen, und viel zu knobeln, ohne dass man zu irgendeinem Zeitpunkt überfordert wäre. Die Anzahl der Runden und Züge empfanden wir übrigens als genau richtig. Sie ermöglicht es alle Strategien umzusetzen, ohne dass es langweilig wird.

 

Wiederspielbarkeit: Nicht nur punktet Natera: New Beginning in der Zugänglichkeit und angenehmen Spieldauer, sondern auch in der Variabilität beim Spielaufbau. Alles zusammen sorgt für einen hohen Wiederspielwert. Auch wir haben zu Beginn überlegt: wie kann etwas so Simples auch auf Dauer Spaß bereiten? Nach mehreren Partien stellen wir fest: eine extrem hohe Variabilität im Spielaufbau sorgt dafür, dass keine Partie wie die andere ist. Zum einen gibt es 12 verschiedene Stammes-Anführer mit ihrer einzigartigen Sonderfähigkeit. Zu jedem Anführer gehören auch unterschiedliche Startressourcen und ein unterschiedliches Einkommen zwischen den Runden, sodass unterschiedliche Spielstrategien gefördert werden. Außerdem gibt es insgesamt 10 verschiedene Wissenschafts-Boards – jedes von ihnen kann mit jedem Anführer kombiniert werden. Das Wissenschafts-Board definiert welche Art Fortschritte / Ressourcen / Siegpunkte wann im Spielverlauf freigeschaltet werden können. Dann ist der Spielplan selbst modular. 12 der insgesamt 20 Arbeitereinsatzfelder werden zufällig gewählt und zu Spielbeginn verdeckt platziert, ihre Funktionen also erst im Spielverlauf offengelegt. 5 der 9 Ziele fürs Platzieren von Flaggen, um deren Erreichung die Spieler konkurrieren, werden ebenfalls zufällig gewählt. In jeder der 5 Kategorien gibt es 4 verschiedene, von denen immer nur eine im Spiel ist. Und last-but-not-least: es gibt richtig viele Karten. 150 Erkundungskarten und 40 Spezialisten-Karten. Man wird in einer Partie nur einen Bruchteil zu Gesicht bekommen. Vielleicht hat man 15 Karten gespielt. Reicht immer noch nicht? Natera kommt mit der Mini-Erweiterung „Nuclear Discovery“. Jetzt reichts aber, oder? Hand aufs Herz: Natera ist ein sich ständig veränderndes, interaktives Puzzle. Wir sind so froh, bei Horizon Games angehalten zu haben.


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